"Quallen altern rückwärts" von Nicklas Brendborg
Rezension

Über das Altern und ein langes Leben – „Quallen altern rückwärts“ von Nicklas Brendborg | Sachbuch

Es beschäftigt sich wohl niemand gerne mit dem eigenen Altern. Wer möchte sich schon gerne mit dem eigenen Älterwerden auseinandersetzen? Dabei werden wir als Gesellschaft immer älter und die Lebenserwartung steigt und steigt. Grund genug, um sich einmal intensiv dem Thema Altern und langes Leben zu widmen – und dabei insbesondere zu schauen, was wir eigentlich bereits über das Altern wissen und was alles noch nicht!

Quallen altern rückwärts. Was wir von der Natur über ein langes Leben lernen können

In seinem Sachbuch Quallen altern rückwärts gibt Nicklas Brendborg einen ausführlichen Überblick über den Stand der aktuellen Altersforschung, jedenfalls den aktuellen Stand zum Zeitpunkt der Erscheinung des Buches. Dabei ist sein Buch in drei Abschnitte unterteilt, wobei der zweite Teil der umfangreichste ist. Aber der Reihe nach:

Im ersten Abschnitt stellt Brendborg Wunder der Natur vor und vergleicht damit die Entwicklung des Menschen mit ganz unterschiedlichen Tierarten. Es geht dabei um evolutionäre Strategien, um Altersrekorde, aber auch um Nachteile eines langen Lebens. Im zweiten Abschnitt Entdeckungen der Forschung geht es dann anhand vieler Beispiele um ganz konkrete Forschungsgegenstände. Von Genforschung über Resilienz als Entwicklungsstrategie bis hin zu äußeren Einflüssen wie Umweltbedingungen oder Ernährung ist alles dabei. Im letzten Abschnitt Gute Ratschläge prüft Brendborg dann kurz und knapp die verbreitetesten Ratschläge für ein langes Leben und ordnet diese im Kontext der vorgestellten Forschung noch einmal ein.

Was wir alles wissen – und was noch nicht

Wie immer, wenn aktuelle Forschung vorgestellt wird fällt vor allem eines auf: Die Zusammenhänge, die wir noch nicht kennen oder nicht erklären können, überwiegen meist unser bereits bekanntes Wissen. Nichtsdestotrotz stellt Brendborg jede Menge spannende Forschungsthemen mit Fokus auf Alterung vor. Und lehrt dabei nebenbei einiges über den Mensch und die Natur. Zum Beispiel, dass der Mensch exponentiell altert: Mit dem Ende der Pubertät verdoppelt sich das allgemeine Sterberisiko etwa alle acht Jahre, während der menschliche Körper parallel dazu kontinuierlich schwächer wird. Dennoch ist der Mensch das am längsten an Land lebende Säugetier dieser Erde, zumindest im Verhältnis zu seiner Körpergröße. Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen Größe und Alter: Größere Tierarten leben länger als kleinere Tierarten, aber paradoxerweise haben innerhalb einer Tierart die kleineren Artgenossen die längste Lebensdauer. Mit dieser Art Fakten führt Brendborg ins Thema Altern ein und entblößt zunächst die Kuriositäten des Themas.

Im weiteren Verlauf stellt er anschließend verschiedene Forschungsgegenstände vor, welche sich alle mit verschiedenen Aspekten von Alterungsprozessen und Sterblichkeit beschäftigen. Über die biologische Todesuhr in Form von Telomeren über den hormesischen Effekt, welcher im Prinzip mit Resilienz beschrieben werden kann, bis hin zu verschiedenen Alterungserkrankungen blickt Brendborg auf allerlei angrenzende Forschungsfelder. Dabei wird auch immer wieder deutlich, an welchem Punkt wir Zusammenhänge (noch) nicht verstehen und wohin sich die Forschung in den kommenden Jahren entwickeln wird. Und nebenbei deckt er immer wieder die Hintergründe von Werbeversprechen (besonders rund um Ernährungs- und Schönheitsindustrie) auf und ordnet auch diese in Bezug auf den aktuellen Forschungsstand ein. Ebenso deutlich wird dabei, wie komplex und vielschichtig die Thematik ist, sodass es leider keine einfachen und eindeutigen Antworten auf die Frage gibt: „Was genau lässt uns wie altern – und können wir dem (mit Medizin oder einer gesunden Lebensführung) entgegenwirken?“

Und was lernen wir daraus?

Also zunächst einmal muss ich sagen, dass mich das Buch unglaublich gut unterhalten hat. Denn Brendborg schafft es selbst komplexe Themen anschaulich und beispielhaft sowie anekdotisch zu erzählen. So habe ich einen großen Teil des Buches auf einer langen Bahnfahrt verschlungen – obwohl ich eigentlich in der Bahn meist eher unkonzentriert lese. Allerdings ist das Thema auch äußerst fesselnd, sodass es mir gar nicht schwer viel bei der Sache zu bleiben. Nur das Notizen machen auf meinem Handy war bei all den biologischen Fachbegriffen manches mal eine Herausforderung – sowohl für mich als auch für meine Autokorrektur.

Neben jeder Menge skurriler oder unglaublicher Fakten habe ich außerdem ein tieferes Verständnis über die Zusammenhänge von Genetik, Umwelt und Evolution erhalten. Und natürlich eine Menge Wissen über laufende Alterungsforschung und die voraussichtliche Tendenz, die diese Forschung in den nächsten Jahrzehnten bis Jahrhunderten nehmen wird. Dieser Mix aus Unterhaltung und Wissensvermittlung ist Brendborg ausgezeichnet gelungen, sodass ich das Buch vermutlich in den nächsten Jahren noch oft im Freundeskreis verleihen werde.

Fazit: Lehrreich und zugleich unterhaltsam führt Brendborg einmal durch die Themen Alterung und Sterblichkeit und lehrt sowohl skurrile Fakten sowie aktuelle Forschungsgegenstände. Meisterhaft vereinfacht er komplexe Themen und erläutert anschaulich die diversen Zusammenhänge ohne zugleich die noch bestehenden Wissenslücken auszublenden. Ein Buch nicht nur für Sachbuchliebhaber!


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Quallen altern rückwärts. Was wir von der Natur über ein langes Leben lernen können von Nicklas Brendborg
Aus dem Dänischen von Justus Carl
304 Seiten, Hardcover
Erschienen im März 2022
Eichborn Verlag

Dieses Buch habe ich als kostenfreies Rezensionsexemplar erhalten. Vielen Dank dafür!

2 Kommentare

  • Tina

    Hi Jenny,

    das ist kein Buch aus der Lesegruppe gewesen, oder?
    Auf jeden Fall wirklich interessant.
    Gerade das Thema, wie man dem Altern entgegenwirken kann oder nicht. Ich glaube, den meisten Menschen geht es dabei nicht um das Äußere, sondern die Angst vor Verlust von Leistungsfähigkeit und Kontrolle. Verständlich. Dabei sehe ich verschiedene Menschen aus meinem Umfeld vor mir und wie verschieden sie auch damit umgehen.
    Die Frage ist, wie werde ich früher oder später damit umgehen?

    Viele Grüße
    Tina

    • Jennifer

      Ach Mensch, Tina, WordPress zeigt mir jetzt erst deinen Kommentar an. Wie furchtbar ärgerlich!

      Nein, das war kein Leserundenbuch. Hätte aber auch gut gepasst, weil da wirklich viel spannendes drin steckte, worüber man sich hätte austauschen können.
      Wie ich irgendwann damit umgehen werde, frage ich mich auch langsam. Man merkt ja erschreckenderweise jetzt schon, dass der Körper sich langsam ändert. Dabei hat man früher immer gedacht, man merkt das Alt werden erst in hohen Jahren…

      LG Jenni

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