Eine ruhige Hommage an Gefühle - "Die Bücherjägerin" von Elisabeth Beer
Bücher in Büchern,  Rezension

Eine ruhige Hommage an Gefühle – „Die Bücherjägerin“ von Elisabeth Beer

Mit ihrem Debüt hat Elisabeth Beer einen warmherzigen Roman über das Abschiednehmen und die Liebe zum Buch geschrieben, der vor allem durch zarte und ruhige Schilderungen besticht. Mit ihren schrulligen Figuren und einer Suche quer durch Europa und bis in die frühe Vergangenheit hinein, trifft die Geschichte schnell mitten ins Herz und bleibt dabei herrlich unaufgeregt.

Die Bücherjägerin

Nach dem Tod ihrer Tante Amalia führt die menschenscheue Sarah das gemeinsame Restaurations- und Antiquariatsgeschäft alleine weiter. Während sie noch überlegt, wie sie künftig ihre Rechnungen zahlen soll und versucht das buchhalterische Prinzip ihrer Tante (eine lose Zettelwirtschaft) zu verstehen, steht auf einmal Benjamin vor ihrer Haustür. Der junge Bibliothekar aus London ist auf der Suche nach dem verschollenen Stück einer alten römischen Landkarte – und er sagt, dass Amalia vor ihrem Tod behauptet hatte, dass sie wisse, wo sich diese antiquarische Fundstück befinden solle. Zögernd zunächst, dann mit immer mehr Neugier, hilft Sarah Benjamin auf der Suche nach Hinweisen, zuerst im Nachlass von Amalia und schließlich von Frankreich nach England in der Vergangenheit ihrer Tante. Während dieser Zeit verarbeitet sie nicht nur den Tod ihrer krebskranken Tante, die sie wie eine Mutter aufgezogen hatte, sondern merkt schließlich auch, dass sie nun auf sich alleine gestellt nicht mehr ohne menschliche Kontakte weiterleben kann.

Zart und berührend

Mehr noch als die Geschichte selbst beeindruckt der ruhige Schreibstil. Mit jeder Menge Gefühl lässt Beer ihre Figur zwischen Trauer und Selbstzweifel pendeln und zugleich eine unglaubliche Entwicklung durchleben. Dabei geht es nicht einfach nur um das Abschiednehmen, sondern vor allem um Selbstakzeptanz und Selbstliebe.

Denn die Geschichte ist erstmal ganz simpel: Amalia hat Sarah und ihre Schwester großgezogen und war der Mittelpunkt ihrer Familie. Nach dem Tod von Amalia vergräbt Sarah sich naheliegenderweise in ihrer Arbeit als Restauratorin und versucht den Verlust zu verkraften. Aber allzu schnell merkt man beim Lesen: Da ist noch mehr. Denn Sarah ist nicht einfach nur in Trauer, sie stellt ihr Leben geradezu in Frage. In einer wunderbar berührenden Art erschafft Beer eine skurrile Person, die ein bisschen an der Welt scheitert und durch einen Zufall (Ben, den Bibliothekar) wieder zurück ins Leben geholt wird.

Dabei lässt sich Sarah in keine Schublade stecken und wird auf genau diese Art wunderbar sympathisch. Denn Sarah ist in vielerlei Hinsicht nicht neurotypisch, auch wenn das eigentlich stets hintergründig als Erklärung für ihre Schrulligkeit mitschwingt und gar nicht direkt thematisiert wird. Stattdessen zweifelt Sarah an ihren Fähigkeiten im menschlichen Umgang und möchte sich am liebsten in ihrer eigenen kleinen Welt verkriechen. Erst durch Ben und seine Suche nach der verschollenen Karte, wird sie aus ihrem Schneckenhaus gekitzelt und beginnt sich in seiner Gegenwart freier zu entfalten. Und natürlich entwickelt sich so auch eine zarte Liebesbeziehung.

Persönlich und annehmend

Geschrieben in der Ich-Perspektive mit wechselnden Sprüngen zwischen Vergangenheit und Gegenwart verfolgen wir so Sarahs Leben, sehen die Schwierigkeiten, die sie durchmachte und das enge Band, das sie von früher Kindheit an mit Amalia knüpft. Und auch Amalia lernen wir, mehr noch als Sarahs Schwester, die natürlich in ihrer Kindheit stets mit von der Partie ist, durch Sarahs Erinnerungen kennen und begreifen mit welcher Selbstverständlichkeit und Liebe sie die beiden Mädchen nach dem Tod der Eltern aufgenommen hat.

Auch wenn man aufgrund der Suche quer durch Europa nun von einer spannungsgeladenen und actionreichen Geschichte ausgehen könnte, besticht Die Bücherjägerin doch mit einer ruhigen Erzählung, die eigentlich mehr durch innere Erkenntnis denn durch wilde Handlung bestimmt ist. Und weil Amalia, und damit auch Sarah, die von Amalias Erziehung geprägt ist, eine sehr logisch denkende Person ist, die erstmal jeden auf seine Weise akzeptiert, ist die gesamte Geschichte geprägt von der ruhigen Akzeptanz von Andersartigkeit. Auch Themen wie altmodische Familienrollen oder Rassismus werden in einer ruhigen Intensität wiedergegeben ohne sie mit Wertung zu überladen, welche sich beim Lesen aber ganz unwillkürlich einstellt.

Fazit: Ein wundervoll zarter Roman, der auf ruhige und dadurch umso eindringlichere Weise seine Geschichte erzählt. Diese handelt in erster Linie von Gefühlen und erst in zweiter von der Suche – nach der verschollenen Karte ebenso wie nach dem eigenen Platz in einer Gesellschaft, die mit Andersartigkeit leider allzu schlecht umgehen kann. Berührend und warmherzig!


Ich habe das Buch im vergangenen Jahr noch vor dem Erscheinungstermin als Buddy-Read mit Tina von Buchpfote gelesen. Leider ist mir dann vor lauter Urlaub, Kranksein und dann dem Weihnachtstrubel so viel dazwischen gekommen, dass ich euch meine Meinung erst jetzt mitteilen konnte. Zum Glück mache ich mir ja immer ziemlich viele Notizen, sodass ich meine Bücher auch nach einigen Monaten noch gut rezensieren kann. Wenn ihr einen etwas „frischeren“ Eindruck vom Buch bekommen wollt, schaut gerne bei Tina rein (sie rezensiert auch sonst deutlich schneller als ich!)


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Die Bücherjägerin von Elisabeth Beer
432 Seiten, Hardcover
Erschienen im August 2023
Dumont Buchverlag

Dieses Buch habe ich im Rahmen des Dumont Bloggertreffen zur LBM23 kostenfrei erhalten. Vielen Dank!

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