[HateSpeech] Über den Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung
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[HateSpeech] „Bei Hasstrollen, die Bekannte beleidigten, merkte ich aber, dass die Community auch viel Rückhalt bieten kann“ – Interview zum Umgang mit HateSpeech

Folgendes Interview habe ich letzte Woche geführt und möchte es euch nun als weiteren persönlichen Einblick in den Umgang mit HateSpeech geben. Auf Wunsch des Interviewpartners wurde das Interview anonym geführt. Für ein besseres Verständnis möchte ich aber darauf hinweisen, dass mein Interviewpartner mehrfach behindert ist und sich einige der Antworten auf diese Tatsache beziehen.

Wer es noch nicht kennt, dem empfehle ich ebenfalls das Interview mit Elif von letzter Woche 🙂


Jennifer: Vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Gespräch nimmst!

Im realen Leben oder im Netz – wo wirst du häufiger mit Hass (gegen dich oder gegen andere) konfrontiert? Sehen deine Reaktionen unterschiedlich aus?

Definitiv im Netz. Im realen Leben sind es nur Kinder, die bemerken, dass ich etwas anders bin, und nicht mal wissen, was sie tun, wenn sie mich ein Monster nennen. Erwachsene nehmen Kleinigkeiten nicht mehr so wahr, sie bemerken meist erst, dass ich minimal anders bin, wenn sie mich wirklich kennen lernen.

Aber im Netz kann man eben meine Persönlichkeit sehen, die leider auch aneckt, und da … naja, wenn es ganz schlimm wird, versuche ich es zu melden. Wenn man mir sagt, ich solle mich bitte umbringen oder gehöre vergewaltigt, weil ich nichts gegen Muslime habe. Aber bisher fanden Facebook, Twitter und Co so etwas nie gegen die Netiquette verstoßend. Bei kleineren Sachen breche ich die Diskussion ab, mal höflich, mal mit unterschwelligen Beleidigungen. (Ich mag es, wenn Leute nicht verstehen, dass ich sie beleidige.) Aber das erst, wenn sie mich schon mehrfach beleidigt haben, nie zuerst. Und auch nur, um irgendwie mit einem guten Gefühl rausgehen zu können, nachdem man mich verletzen wollte.

Wenn dir Hass im Internet begegnet, in welcher Form findet das statt und vor allem auf welchen Plattformen? Bist du selbst von Hass betroffen oder bemerkst du, dass gegen andere Personen angeschrieben wird?

Vor allem gegen andere Personen und eben vor allem bei Twitter und Facebook. Bei mir sind es nur Kommentare direkt gegen mich gerichtet. Gegen Bekannte geht es da aber schon weiter. Ihre Leben, Adressen, etc. werden im Internet ausgebreitet, es wird teilweise eine richtige Hetzjagd auf sie erbeten im jeweiligen Umfeld des Hasstrolls.

Fühlst du dich im Internet alleine gelassen? Welche Rolle spielt die Community, wenn es um Hetzkommentare geht?

Schon. Also von den Verantwortlichen, denn seit dem NetzDG ist es eher schwieriger geworden, so etwas überhaupt zu melden. Man muss den genauen Paragraphen kennen und mit Klarnamen signieren, dass man das melden will. Einem wird selbst mit Strafe gedroht, im Fall einer Falschmeldung. Das schreckt ab, selbst wenn man mal tatsächlich weiß, welchen Paragraphen man braucht und, dass er auch tatsächlich genau passt. (Denn für vieles gibt es jetzt keine Meldemöglichkeit mehr.)

Bei Hasstrollen, die Bekannte beleidigten, merkte ich aber, dass die Community auch viel Rückhalt bieten kann. Wenn sie es denn gerade sieht. Aber man scheint es dafür erst noch groß öffentlich machen zu müssen, was einerseits bei der Schnelllebigkeit der sozialen Medien verständlich ist, aber gleichzeitig eben doch schade.

Hat sich im Laufe der Zeit in deiner Wahrnehmung etwas verändert? Sind es mehr Kommentare geworden oder hat sich die Intensität erhöht? Wie haben sich die Reaktionen, deine, die von anderen, geändert?

Es wird immer extremer. Vieles wird sagbar, was früher noch nicht einmal denkbar war. Man merkt nun, dass bei normalen Trollen schnell eine Grenze erreicht ist und die Leute ihn bald ignorieren, aber gegen die richtigen Hasstrolle scheinen mehr und mehr anzugehen. Man warnt teilweise sogar Verlage etc. davor, mit denen zu kooperieren und erzielt dabei sogar Ergebnisse. Aber es ist eben nur die Filterblase, die man dagegen angehen sieht. Außerhalb dieser mag das zwar auch so sein, aber es scheint trotzdem eine Übermacht der Hasstrolle zu geben.

Wie sieht deiner Meinung nach die beste Strategie gegen Hasskommentare aus: Diskutieren oder Ignorieren?

Diskutieren hilft so gut wie nie, sollte aber dennoch zuerst probiert werden – zumindest, wenn die Hoffnung besteht, dass das Gegenüber nur desinformiert ist. Ignorieren hilft aber auch nur bei den Kleinen, bei denen, die nur aus Langeweile stänkern, aber nur provozieren und nicht wirklich hetzen wollen. Bei den wirklich schlimmen hilft eigentlich nichts. Maximal rechtliche Schritte, wenn man selbst das Opfer ist. Als Zuschauer kann man dem Opfer nur beistehen und dafür sorgen, dass die Erlebnisse nicht traumatisieren, aber mehr eigentlich nicht.

Vielen Dank für das Interview!

Kein Problem 😉

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