[Studium] Oskar Baum & das Prag-Projekt
Studium

[Studium] Oskar Baum & das Prag-Projekt

Wie auch im letzten Jahr habe ich im vergangenen November bei einem Austausch-Projekt zwischen der Uni Leipzig und der Karls-Universität Prag teilgenommen. Das Ziel des Projektes ist es immer, einen unbekannten Prager Deutschen Autoren etwas vor dem Vergessen Werden zu bewahren. Hier möchte ich euch das Projekt vorstellen und ein wenig erzählen, was wir machen. Außerdem möchte ich ein wenig Werbung in eigener Sache machen, denn kommende Woche stellen wir während eines öffentlichen Kolloquiums spannende Ansätze zu Baums Literatur vor.

Prager Deutsche Literatur

Wenn man an deutschsprachige Autoren denkt, dann denkt man meist im Kopf innerhalb der deutschen Grenzen. Aber nicht nur in Deutschland wird auf Deutsch geschrieben, nicht nur „Deutsche“ sprechen deutsch als Muttersprache. In Prag hat es bis ins 20. Jahrhundert eine große deutschsprachige Minderheit gegeben. Als Folge der vielen deutschsprachigen Muttersprachler in Prag gab es zudem viele deutschsprachige kulturelle Angebote, Theater, zwei große deutschsprachige Wochenzeitungen. Es gab eigene Schulen und es gab eben auch viele Autoren, die auf Deutsch schrieben. Der bekannteste von ihnen ist Franz Kafka, der in Prag geboren wurde, aufwuchs und die Schule besuchte. Doch neben Kafka, der auch heute noch im Rahmen der Schullektüre Aufmerksamkeit bekommt, gibt es viele Autor*innen, die in Vergessenheit geraten (sind):

Leo Perutz

Anna Seghers

Lenka Reinerová

Hans Natonek

Egon Erwin Kisch

Max Brod

Franz Werfel

Rainer Maria Rilke

und viele weitere…

Oskar Baum

Oskar Baum ist einer von ihnen. Er steht im Kern des Prager Kreis, wie sich die deutschsprachigen Schriftsteller in Prag um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert nennen. Viele von ihnen waren schriftstellerisch und  / oder publizistisch sowie journalistisch tätigen und prägten die deutschsprachige Kultur in Prag. Nicht alle sind in Prag geboren, aber allen ist gemein, dass sie vielen Umbrüchen in ihrem Leben unterworfen waren.

Oskar Baum ist in Pilsen geboren (heute als Heimatstadt des Bieres bekannt). Geboren in die Österreichisch-Ungarische Monarchie also, als Kind jüdischer Eltern. Er wurde mit Augenproblemen geboren, mit 11 Jahren verlor er sein Augenlicht komplett. Er wurde, wie unsere Professorin es ausdrückte, als Sehender geboren. Das macht auch seine Texte aus, in denen er oft das Nicht-Sehen-Können thematisiert. Seine Geschichten empfinde ich als ungewöhnlich bildhaft und klanglich sehr eindrucksvoll. Im Februar 1941 starb Baum nach einer Operation in einem jüdischen Krankenhaus, seine Frau wurde kurz danach ins KZ Theresienstadt deportiert und kam dort ums Leben. Sein Leben umfasst viele Höhen und Tiefen, hier alles aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Dennoch bekommt man bereits durch seine Geburt und sein Sterben einen Eindruck, von den Themen, die den gesamten Prager Kreis antrieben:

Es geht um Zugehörigkeit und Migration, Heimat und Verlust, aber auch um persönliche Schicksale und Umbrüche. Ich habe während des Projektes nur einen kleinen Einblick bekommen und natürlich bewegten die Prager Deutschen Autor*innen noch mehr. Dennoch habe ich ein wenig ein Gefühl dafür bekommen, wie besonders die Prager Deutsche Literatur im Vergleich zur deutschen ist und auch wie wenig wir eigentlich über sie wissen.

Eine Woche in Prag (Rückblick in den November)

Mit zwei ausgedruckten Geschichten von Baum bewaffnet, habe ich mich also an einem Sonntag im November im Zug wieder gefunden. Da das Projekt Montags startet, durften wir bereits Sonntag anreisen und auch schon im Wohnheim dort übernachten. So konnten wir uns abends die Stadt schon ein wenig ansehen. Von Montag bis Donnerstagnachmittag gab es dann ein voll gepacktes Programm. Wir waren in Cafés, haben die Stadt besichtigt und einen „Literarischen Spaziergang“ unternommen. Außerdem durften wir dem Prager Literaturhaus einen Besuch abstatten und uns eine sehr bewegende Kurzdokumentation über Lenka Reinerová ansehen. Aber natürlich sind wir nicht nur durch Prag gelaufen. Wir haben gemeinsam mit unseren beiden Professorinnen, die das Projekt leiten, diskutiert und uns mit den Themen der beiden ausgewählten Geschichten befasst. Ohne das Einwirken unserer Professorinnen haben wir uns dann in Kleingruppen aufgeteilt und uns eigene Schwerpunkte gewählt. Das Ziel des Projektes ist es immer, dass wir zwar jeder alleine ein Thema, eine eigene Fragestellung bearbeiten, aber sich die Themen aufeinander beziehen, wir miteinander kommunizieren und uns gegenseitig neue Anstöße geben. Im Vergleich zu klassischen Gruppenarbeiten, wie ich sie in der Uni kennen gelernt habe, ist dies wirklich um Klassen angenehmer. Quasi: Gemeinsam alleine arbeiten!

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Ein Stapel Notizen

Wie geht es weiter?

Am Ende unserer ersten Projektwoche haben wir uns getrennt. Nun musste jeder für sich sein Thema voranbringen. Das bedeutet in einigen Fällen eine große Recherche, in anderen eine explizite Analyse am Text. Ich werde mich ebenfalls mit dem Text direkt beschäftigen und brachte aus Prag einen ganzen Stapel an Notizen und Ideen mit. Ein kleines Exposé erstellten wir alle bis Anfang Januar, danach gab es noch einmal eine große ruhige Phase. Kommende Woche werden die Prager*innen zu uns nach Leipzig kommen und dann wird es ein öffentliches Kolloquium geben. Dort stellen wir erste Ergebnisse vor, besprechen aufgetretene Probleme und finden auch hoffentlich gleich Lösungen. Nach dem Kolloquium verschriftlichen wir unsere Ergebnisse dann, welche Ende des Jahres veröffentlicht werden. Aktuell wird der Band des Vorjahres vom Verlag lektoriert und ich bin schon mächtig aufgeregt. Meine erste wissenschaftliche Veröffentlichung!

Das Kolloquium nächste Woche ist öffentlich und darf gerne von Zuschauern besucht werden, ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass es ein Arbeitskolloquium ist. Es wird also keine großen Vorträge geben, sondern kleine Zusammenfassungen unserer bisherigen Arbeit. Wer dennoch kommen möchte, ist herzlich eingeladen:

Mittwoch, den 25. April 2018 von 12-21 Uhr

Donnerstag, den 26. April 2018 von 9-12 Uhr und von 12:30-18 Uhr

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