Tycho Brahes Weg zu Gott und Sprache im Roman - Prager Deutsche Literatur Teil 2
Studium

Tycho Brahes Weg zu Gott und Sprache im Roman – Prager Deutsche Literatur Teil 2

Nach dem Semesterrückblick letzter Woche, wollte ich euch gerne noch ein bisschen was über mein Prag-Projekt erzählen:

Hier geht’s nochmal zu Teil 1, sowie zum Bericht des Kolloquiums. Kurz zusammengefasst: Es ist eine Kooperation mit der Karls-Universität Prag. In mehreren kleinen Arbeitsgruppen beschäftigen wir uns mit unterschiedlichen Aspekten des Romans Tycho Brahes Weg zu Gott. In meiner Arbeitsgruppe beschäftigen wir uns mit dem Erzähler, den Figuren, den Räumen und der Kommunikation in dem Buch.


Tycho Brahes Weg zu Gott

Mir ist aufgefallen, dass ich euch bisher herzlich wenig zum eigentlich Spannenden dieses Projekts erzählt habe: dem Buch!

Der Roman

Die Hauptfiguren sind Tycho de Brahe, ein alter Astronom und Gelehrter, und sein neuer Schüler Johannes Kepler. Während de Brahe noch dem alten Weltbild anhängt (die Sonne dreht sich um die Erde), gehört Kepler bereits einer neuen Generation an gelehrten an. Dazu kommen noch Differenzen mit Franz Tengnagel, dem vorherigen Schüler de Brahes, der eigentlich Elisabeth de Brahe, die jüngste Tochter heiraten sollte. Er will Kepler des Hauses verweisen, da er ihn als Konkurrent um die Gunst de Brahes wahrnimmt und wird stattdessen von diesem hinausgeworfen. Ein Problem für Elisabeth, da diese von ihrem Verlobten bereits schwanger ist.

Das Ganze ist angesiedelt im Prag des 15 Jahrhunderts. Die Machtverhältnisse der damaligen Zeit bilden die Grundlage für den Konflikt zwischen den beiden (und weiteren) Gelehrten. Dazu kommen familieninterne Konflikte und kleinliche Zankereien.

Im Mittelpunkt der gesamten Handlung steht Tycho de Brahe, dessen Monologe, innere Gedanken und Handlungen fast den gesamten Roman dominieren. Kepler wirkt vor allem immer durch seine Art, sich nicht an Gesprächen zu beteiligen oder direkte Antworten zu geben. Tengnagel ist der klassische Bösewicht, der aufbrausend und irrational agiert. Interessant sind noch die Frauenfiguren, beispielsweise Elisabeth, da sie ein arg anstrengendes Frauenbild aufzeigen.

Am nächsten Morgen war sie mit dem einzigen Wunsch und Gedanken aufgewacht: Tengnagel wiederzusehen. Alle ihre guten Vorsätze waren vergessen, der Würde und Sittsamkeit achtete sie nicht mehr. Nur noch ein Gefühl füllte sie aus, die förmlich tierhafte Treue des Weibes gegen den Mann, dem sie sich einmal hingegeben hat und dem sie nun bedenkenlos folgt, mag er sich auch seither als ein Elender, Unwürdiger erwiesen haben. Tapfer genug hatte sich Elisabeth gegen dieses Gefühl, das sie schon seit langem beherrschte, aufgelehnt, hatte die ganze Klugheit und Bosheit ihres Mädchenkopfes, die innige Liebe zu ihrem Vater, das Bewußtsein ihrer sittlichen Pflicht dagegen in den Kampf geführt…

Tycho Brahes Weg zu Gott, S. 162

Meine Meinung

Ich fand den Roman an sich gar nicht so spannend, in Bezug auf mein Thema hat es mir jedoch glücklicherweise Spaß gemacht, alles zu analysieren. Ich habe das Buch jetzt dreimal gelesen, einmal im Oktober letzten Jahres, bevor es nach Prag ging, einmal kurz vor dem Kolloquium im April und einmal in den letzten Wochen um mir Notizen zu machen. Die Figuren fand ich teilweise sehr anstrengend und die Rollenbilder sind wirklich furchtbar. Ich weiß nicht, ob das an der beschriebenen Zeit liegt oder daran, dass ich zunehmend sehr allergisch auf solche Geschlechterbilder reagiere. Meinen ersten Gedanken, mich mit Rollenbildern zu beschäftigen, habe ich ganz schnell aufgegeben, weil ich mir das nicht wieder und wieder durchlesen und analysieren wollte. Allerdings mochte ich auch de Brahe als Figur nicht, der sehr egozentrisch ist und oft seitenlange Monologe führt, in welchen er mit seinem schlimmen Schicksal hadert, in welchen sich die ganze Welt gegen ihn gewandt habe. Vielleicht liegt mir auch einfach diese Art historischer Roman nicht.


Kommunikation in all seinen Varianten

Wie schon erwähnt, beschäftige ich mich mit der Kommunikation im Roman. Angefangen hatte alles mit der Frage, wer wie viel spricht und wer (da es vielfach um Macht geht) eigentlich wem erlaubt zu sprechen. Beim Durcharbeiten ist mir jedoch aufgefallen, auf die viele Arten Sprache und Sprechen im Roman thematisiert wird.

Es geht um privates und öffentliches Sprechen, um das Verschweigen und das Nicht-Zuhören, um die Verweigerung zum Dialog genauso wie zur Informationsweitergabe. Figuren sind sprachlos oder reden aneinander vorbei, um gebrochene Versprechen ebenso wie um Fürbitten im Namen einer anderen Person. Bei all diesen Aspekt spielt Sprache eine zentrale Rolle. Je genauer ich hingesehen habe, desto mehr Aspekte habe ich entdeckt und meine Notizsammlung wuchs ins Bodenlose…

Ich habe jetzt den ganzen Roman durchgearbeitet und dabei alle Stellen markiert, die irgendwie irgendwo was mit dem Sprechen oder Nicht-Sprechen zu tun haben. Das ist teilweise ganz schön bunt geworden auf den Seiten:

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Jede Farbe gehört zu einer Figur – an der Seite versuche ich immer Kategorien zu erstellen

Nun muss ich meine Notizen durchsehen und alles ein bisschen sortieren und strukturieren. Das klingt leichter gesagt, als getan, da viele Szenen in mehrere Kategorien passen. Das der Abgabetermin schon Anfang August ist, ist natürlich nicht hilfreich 😉

Dennoch habe ich inzwischen eine grobe Struktur. An der feile ich in den nächsten Tagen noch ein bisschen und fange dann mit dem Schreiben an. Ich hoffe, dass ich schnell in einen guten Schreibfluss komme, da mich das Thema Sprechen sehr interessiert und ich wirklich viele spannende Stellen im Roman gefunden habe. Wahrscheinlich werde ich auch nur einen Bruchteil meiner Notizen nutzen können. Es gibt einfach sehr viele Aspekte und ich werde mich wohl auf ausgewählte Szenen beschränken müssen.

Gerne würde ich zum Beispiel etwas zum wissenschaftlichen Sprechen und/oder dem öffentlichen Sprechen machen.  Ich könnte am Beispiel von einigen Briefdialogen etwas zu Gelehrtendiskursen und öffentlicher Kommunikation schreiben, bei der das Ansehen der Figur verfestigen bzw. beschmutzen sollen. Das würde aber vermutlich den Rahmen meiner Arbeit sprengen.


Soweit also von mir zu diesem Projekt. Entschuldigt bitte, wenn das alles ein wenig wirr wirkt, aber ich bin eben noch dabei, meine Gedanken zu ordnen. Vielleicht stelle ich euch zum Abschluss dann nochmal das Ergebnis vor, das hoffentlich weniger unstrukturiert ist 😀

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