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Rezension

[Rezension] Über Moral und Genmanipulation: „Elefant“ von Martin Suter

Zusätzlich zu Lila, Lila hatte ich mir Elefant aus der Bibliothek ausgeliehen. Einige Male hatte ich das Buch schon in der Hand gehalten und immer gezögert. Als Martin Suter zur Leipziger Buchmesse 2017 daraus vorgelesen hatte, wollte ich bereits mehr über diesen zauberhaften kleinen Elefanten wissen. An das Thema Gentechnik mochte ich mich dagegen nicht heranwagen. Nun bin ich froh, dass ich es doch getan habe:

Elefant von Martin Suter

Der Obdachlose Schoch traut seinen Augen kaum: Ein Mini-Elefant, der auch noch rosa leuchtet? Das muss der Alkohol sein. Doch auch nachdem der letzte Restalkohol verflogen ist, bleibt dieses Wesen da. Und Schoch muss auf einmal nicht nur an sich selbst denken, sondern ein Wesen vor Profitgier und Gewissenslosigkeit beschützen.

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Genmanipulation, irgendwer macht‘s ja doch

Die Geschichte wird aus verschiedenen Richtungen erzählt. Für Schoch ist der kleine Elefant ein hilfloses Baby, für den Elefantenhüter Kaung ein (religiöses) Wunder und für den Erschaffer Roux ist es die Chance auf wirtschaftlichen Profit und einen Karriere-Durchbruch. Das Thema Gentechnik wird dabei emotionslos bis nebensächlich behandelt, und wirkt dadurch umso eindringlicher. Während andere Romane in Aufgeregtheit verfallen, werden hier kapitalistische Interessen ebenso wie Forscherdurst simpel beschrieben. Einzig Valerie, der in der Rolle als Tierärztin die strikte Ablehnung von Gentechnik zukommt, stößt moralische Überlegungen an, die zugleich jedoch hinter simpler Sympathie gegenüber dem rosa Elefant zurücktreten. So wird nicht verhandelt, was Gentechnik darf und was nicht, sondern einfach gezeigt, was Gentechnik kann und bereits tut. Frei nach dem Motto, wenn wir es nicht tun, tun es chinesische Großkonzerne – und das kann ja nun wirklich niemand wollen.

Literarisch ist der Roman auf jeden Fall gelungen, durch die Zeit- und Erzählsprünge, die absolut gegensätzlichen Figuren und deren Interessen bleibt die Geschichte spannend und lässt sich schnell lesen. So fühlt man sich beim Lesen beinahe wie in einem Thriller, wenn auch einem literarisch verpackten. Suter überlässt es dabei seinen Lesern sich moralische Fragen zu stellen und eine Bewertung vorzunehmen. Die überspitzt negativ gehaltenen Profitgierigen und von Rache zerfressenen Forscher laden jedoch nicht gerade zu einer freundlichen Bewertung ein. Damit wird allerdings zugleich ein großer Teil von Genmanipulation ausgeblendet. Ob nun im Bereich von Pflanzen oder bei Krankheitsbekämpfung, Gentechnik spielt bereits heute eine große Rolle im wissenschaftlichen Bereich. Das simple „Tun, weil wir es können“, zu Unterhaltungs- und Kapitalismuszwecken wird jedoch eindeutig negativ bewerten. Dennoch hätte ich mir gerne noch ein paar mehr Hintergründe zu Gentechnik gewünscht, als nur die simple und einseitige Darstellung gentechnischer Verfahren.

„Glaubst du, sie weiß nicht, dass sie klein ist?“
Valerie dachte nach. „Nein. Sie hat ja keinen Vergleich. Aber bestimmt fühlt sie sich wie ein Elefant. Stolz wie ein Elefant. Angsteinflößend wie ein Elefant. Würdevoll wie ein Elefant.“
„Und wie findet, dass wir ihr den Respekt nicht entgegenbringen, den man einem Elefanten schuldet.“
„Tun wir ja auch nicht.“

Elefant, Seite 134/135

Auffällig erscheint mir, dass der Elefant von Schoch und der Tierärztin nicht als Produkt sondern als individuelles Wesen angesehen wird, wodurch moralische Überlegungen, wie die Frage, ob man es klonen dürfe, überhaupt erst auftreten. Dass der Elefant dabei zwar durch Manipulation entstanden, aber gleichzeitig dennoch nur eine zufällige Mutation ist, wird dabei nicht weiter thematisiert, erhöht jedoch seinen Wert immens. Schlussendlich ist das Entschlüsseln von Genen dann doch eher Glückssache.

Fazit: Literarisch gelungen, allerdings bleibt die Gentechnik recht simpel dargestellt. Dennoch ein schöner Roman über Möglichkeiten und moralische Fragen mit einem kleinen rosa Protagonisten, der sich ins Herz schleicht.


Weitere Meinungen

„Suter ist ein spannender Roman gelungen, der durch Facettenreichtum, Authentizität und Magie punktet. Ein wahrlich elefantöses Lesevergnügen! Törööö!“ bei Nur Lesen ist schöner

„Der rosarote Elefant ist ein Sympathieträger und man hofft, dass er nicht den falschen Gestalten in die Hände fällt. Leider fehlte mir etwas die differenzierte, facettenreiche Herangehensweise an das Thema Gentechnik und so geriet auch die Gestaltung der Figuren etwas arg schwarz-weiss.“ auf Livricieux

„Keine Antworten, aber viele Fragen wirft das Buch auf und es war definitiv nicht mein letztes Buch des Autors“ Janna bei Kejas-Blogbuch


Das Buch

Elefant von Martin Suter
Diogenes

8 Kommentare

  • Janna | KeJas-BlogBuch

    Lieben Dank fürs verlinken <3
    Hach, du machst das wie ein, zwei andere – Zitat aus den verlinkten Rezis, ich mag das sooo gern – villt. setz ich das auch mal um *-*

    Eine tolle Rezension und ich kann deine Kritikpunkte sehr gut verstehen, auch wenn ich sie nicht gänzlich unterschreibe. Natürlich hätte der Autor mehr auf das Ausgangsthema eingehen können und dafür auf ein anderes verzichten können. Eben das gefiel mir aber, die Vielzahl, ohne dabei das Gefühl einer überladenen Geschichte hervorzurufen.

    Hach, ich hab die Geschichte so so gern gelesen und schön das dich der Elefant dennoch in seinen Bann ziehen konnte! Trotz Kritik kann man der Geschichte einfach nicht widerstehen 😉

    • Jennifer

      Liebe Janna,
      ja, ich habe mir das von Nela von Livricrieux abgeguckt. Allerdings hab ich nun auch gehört, dass manche es nicht mögen, ungefragt verlinkt zu werden. Seufz. Allen kann man es wohl nie recht machen O.o

      Mir gefiel die Geschichte auch sehr, ich mag Suters Stil. Im Nachhinein fiel mir nur auf, dass keinerlei positive Gentechnik beschrieben werden. Hatte mich auch kurz vorher mit einer Biologin über das Thema unterhalten, deshalb war ich da wahrscheinlich besonders sensibel für.
      Und klar schlägt der süße Kleine alle in den Bann! 🙂 Ich würde das Buch auch jederzeit empfehlen 🙂
      Viele Grüße und einen guten Wochenstart!

      • Janna | KeJas-BlogBuch

        Ich mag diese Vernetzung und besonders dazu ein kleines Zitat herauszusuchen <3

        Natürlich, wenn du im Vorfeld bereits mit dem Thema beschäftigt hast, ist der Blick ein anderer. Aber das Elefantchen hat ja dennoch begeistert – egal wie man zur Genmanipulation steht, man will diesen Elefanten haben *-*
        Und auch sonst, aber das hast du ja selbst geschrieben, hat Suter mit seiner Art zu schreiben einen bzw. mich oder uns, in seinen Bann gezogen (=

        • Jennifer

          Ich mag das auch gerne, auch wenn ich es nicht jedes Mal schaffe, andere Rezensionen zu lesen oder gar zu kommentieren. Gerade ist es leider besonders stressig… :/

          Ja, der Elefant ist ja trotzdem niedlich und eben einfach sehr gelungen geschrieben. Da rutscht man einfach so schön durch die Geschichte, das mag ich sehr! 🙂

  • Nicci Trallafitti

    Tolle Rezension!
    Mir hat das Buch auch echt gut gefallen.
    Ich fand die Nüchternheit, mit der das Thema der Gentechnik (und allem drum herum) behandelt wurde sehr gelungen und passend. Alles andere hätte mich vielleicht schon gelangweilt, oder überfordert, haha.

    Liebe Grüße,
    Nicci

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