[Rezension] "Du springst, ich falle" von Maryam Madjidi
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[Rezension] „Du springst, ich falle“ von Maryam Madjidi

Dieser Monat entpuppt sich für mich als Monat der Debütromane. Gerade erst habe ich fleißig die Shortlist für Das Debüt abgelesen, um mir am Ende eine fundierte Meinung bilden zu können (hier geht es zu meinem Abschlussbeitrag mit der Bewertung aller Romane im Vergleich). Bereits vor einiger Zeit hatte ich aber noch Du springst, ich falle angefragt, ohne mir bewusst zu sein, dass es sich dabei auch um ein Debüt handelt. Schade eigentlich, denn dieses Buch hätte sich meiner Meinung nach auf der Longlist ebenso gut gemacht.

Du springst, ich falle

Die kleine Maryam wächst im Iran auf, von den Turbulenzen des politischen Umbruchs merkt sie nichts. Doch ihre Eltern, die sich für den Kommunismus einsetzen, können im Iran nicht mehr sicher leben und so verlässt die Familie das Land. Fortan lebt sie in Frankreich und hat auf einmal zwei Sprachen, zwei Heimatsorte und – zwei Identitäten. Sie wird Französin und bleibt doch im Herzen Iranerin, ihr Roman erzählt von Heimatlosigkeit, der Suche nach einer neuen Sprache und den Alltäglichkeiten der Integration.

Identität, Sprache und Heimat

Maryam Madjidi legt mit ihrem Debüt einen autobiografischen Roman über ein junges Mädchen auf der Suche nach ihrer Identität vor. In einzelnen Szenen, die sich schwerlich Kapitel nennen lassen, da sie die Grenzen von Kapiteln immer wieder auslotet und verschiebt, stellt sie Erlebnisse aus ihrer Kindheit, Jugend und ihrem Erwachsenenleben vor. Sie hält sich dabei an keinerlei Chronologie, erzählt sprunghaft und nahezu willkürlich von Erlebnissen und Gedanken. Eines scheint dabei jedoch immer durch, ihre Suche nach einer Identität, nach einer Heimat, und ihre unglaubliche Verlorenheit. Maryam versteht die Notwendigkeit der Flucht nicht, für sie ist es eine Tragödie ihre Heimat verlassen zu müssen, sie lässt ihre Großmutter zurück und muss ihr Spielzeug an fremde Kinder verschenken. Schwierig zu erfassen, was davon für sie schwerer wiegt. In Frankreich bliebt sie lange stumm, sie versteht diese neue Kultur nicht – und sie mag sie nicht. Das Essen erscheint ihr ebenso merkwürdig wie die Sprache oder lokale Bräuche, lieber möchte sie als stumme Prinzessin in ihrer eigenen Welt leben. Als sie sich der Sprache schließlich öffnet, ich bezweifle, dass das jemand anderes jemals so poetisch beschrieben hätte, da eröffnet sich ihr eine neue Welt, nicht nur sprachlich. Sie verbringt ihre Jugend in Frankreich, sie wird Französin und bleibt doch immer die Iraner, die die ihre Wurzeln woanders hat und nach ihrer Herkunft gefragt wird. Als Erwachsene kehrt sie nach Teheran zurück und kann doch nicht dort bleiben, auch wenn sie das Land liebt, ebenso wie sie Frankreich liebt, wenn auch auf eine andere Art. Madjidi schreibt sehnsuchtvoll von Heimat und Heimatlosigkeit, sie erzählt sanft und daher umso eindrucksvoller von den kleinen Alltäglichkeiten der Integration.

„Ich erinnere mich an die vielen Sätze in der Einsamkeit meines Kopfes. Ich sehe mich wieder über den Schulhof spazieren, noch immer allein, noch immer in meiner Blase. Ich bewegte Unmengen von Wörtern in meinem Kopf, ich bildete Sätze, ergriff in aller Öffentlichkeit das Wort und erklärte vor versammelter Menge, dass ich keineswegs stumm sei, auch keine Fremde und auch nicht vom Mars, sondern die neue Sprache für mich allein haben wollte.“

Du springst, ich falle, aus Ich spreche nicht

Am Eindruckvollsten fand ich die wunderschönen Umschreibungen von Sprache und dem Sprechen als Vorgang, die beinahe etwas Magisches oder Märchenhaftes bekamen. Bei Madjidi bekommt die Sprache einen eigenen Herzschlag, es wirkt als handele es sich um ein lebendiges Wesen, nicht nur um ein Mittel zum Zwecke. Maryam, die so lange stumm bleibt, lässt die Sprache einen Begleiter ihrer Einsamkeit werden und als sie schließlich zu sprechen beginnt, da flattern die Wörter vor Ungeduld aus ihr heraus. So viele schöne Zitate habe ich mir markiert, dass ich sie hier gar nicht alle aufzuzählen vermag!

Fazit: Ein poetisches und berührendes Debüt über Heimat und die Kraft der Sprache! Sanft und dennoch eindringlich erklingt Madjibis Stimme und entführt in Erinnerungen voll poetischer Bilder. 


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Du springst, ich falle von Maryam Madjidi

224 Seiten, 18 Euro
Blumenbar

Dieses Exemplar wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt!

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