Funktioniert "Qualityland" auch als Graphic Novel?
Rezension

Funktioniert „Qualityland“ auch als Graphic Novel?

Ich muss gestehen, dass es sich ein wenig absurd anfühlt, diese Rezension zu schreiben. Im letzten Jahr habe ich Qualityland zuerst gelesen und danach als Hörbuch gehört. (Hier geht es zu meiner Buchkritik). Nun ist Qualityland also als Graphic Novel erschienen und natürlich war ich sofort neugierig! Allerdings war es doch ein wenig ein merkwürdiges Gefühl, diese Geschichte zu lesen, die ich gefühlt auswendig kenne.

Die Story von Qualityland

In Qualityland werden zwei Erzählstränge miteinander verbunden: Peter Arbeitsloser ist erfolglos und seit kurzem unfreiwillig Single. Er arbeitet als Verschrotter und lebt ein eintöniges Leben. Bis ihm von The Shop eines Tages ein Produkt zugesandt wird, dass er nicht besitzen möchte. Ein Umtausch ist vom System aber gar nicht vorgesehen…
Im Gegensatz dazu gehört John of Us zu den Gewinnern dieser Welt – obwohl er ein Roboter ist. Er kandidiert für die kommende Präsidentschaftswahl. Leider sehen seine Wahlhelfer:innen die anstehenden Wahlen deutlich weniger rosig als John. Er ist schließlich programmiert darauf, den Wähler:innen zu dienen und möchte Klassenunterschiede abschaffen. Wieso sollten die Menschen ihn nicht wählen?

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Peter Arbeitsloser und seine halbdefekten Roboter

Die Graphic Novel

Die Grundgeschichte dürfte vielen bekannt sein, da Marc-Uwe Kling kein unbekannter Autor ist und die Buchvorlage bereits im letzten Jahr erschien. Diese erregte einiges Aufsehen durch die Tatsache, dass zwei Versionen des Buches erschienen: In beiden Büchern waren sämtliche Kapitel gleich, nur die Werbeseiten hatten eine andere Reihenfolge. Solche Spielereien kann sich die Graphic Novel natürlich rein aus Kostengründen nicht leisten. Dennoch bietet auch diese Form der Geschichtenerzählung einiges für die interessierten Leser:innen.

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Besonders die humorvollen und ironischen Stellen kommen in der Graphic Novel zur Geltung. Zusätzlich zu Marc-Uwes Erzählstimme hat man nun noch Mimik und Gestik der Figuren. Und das verstärkt die Komik tatsächlich noch, auch wenn man die Geschichte bereits schon kennt. Dabei hat die Graphic Novel eigentlich keine einfache Aufgabe: Die Geschichte ist komplex und erklärungsbedürftig. Das merkt man an vielen Stellen, wenn beispielsweise ein Eindruck der Informationsvernetzung entstehen soll oder das stark ausgeprägte Klassensystem geschildert wird, das von den Figuren als solches kaum wahrgenommen wird. Der Spagat besteht hier also in der Reduktion der Informationsnennung bei gleichbleibender Komplexität. Und dieser Spagat wird erstaunlich gut gemeistert. Dabei kommt der Graphic Novel natürlich zu gute, dass es sich nur um den ersten Band handelt. Erzählt wird also nur ein Teil der Handlung (etwa die Hälfte der Romanhandlung), anders wäre es aber auch gar nicht möglich, außer man hätte die Seitenanzahl mindestens verdoppelt. So jedoch wird ein guter Spannungsbogen geschlagen und den Lesenden viel nachdenklich machendes präsentiert, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass die Handlung zumindest noch ein Stück weiter geführt wird. Andererseits konzentriert man sich während des Lesens der Graphic Novel noch einmal intensiver auf die Schilderung der (Klassen-)Gesellschaft, da die Handlung ein wenig in den Hintergrund tritt. Besonders charmant fand ich – wie im Roman auch – die eingeschobenen Werbeblöcke, aber was soll man von solcher Werbung auch sonst halten?

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Werbung ganz im Stile Qualitylands

Wem gefällt’s?

Ist Qualityland nun also nur ein Buch für Kling-Liebhaber? Mitnichten! Natürlich macht das Lesen auch Spaß, wenn man Kling und insbesondere den Roman (oder das Hörbuch) kennt. Bei vielen, vielen Sätzen hatte ich wortwörtlich Klings Stimme im Kopf – und sicherlich ging es nicht nur mir so. Doch auch wenn man Kling nicht kennt und einfach gerne Science Fiction oder Dystopisches liest, hat man seine Freude an der Geschichte. Die Klassengesellschaft, der Einfluss von künstlicher Intelligenz und Big Data und die Missbrauchsmöglichkeiten einer entfesselten Wirtschaft bilden immer eine spannende Story!

Fazit: Eine spannende Geschichte, nun auch als Graphic Novel aufgelegt. Für Liebhaber aber auch Neueinsteiger ins Kling-Universum. Mimik und Gestik der Figuren verstärken die humorvollen Szenen, der Komplexität des Themas tut das aber keinen Abbruch. Leseempfehlung!


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Qualityland von Marc-Uwe Kling
Band 1.1
Gezeichnet von Zachary Tallent
Ohne Seitenangaben, 176 Seiten laut Verlag
erschienen 2020
Voland & Quist

Dieses Exemplar wurde mir kostenfrei vom Verlag zur Verfügung gestellt.
Herzlichen Dank!

 

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