[Rezension] Von Einsamkeit und Bewegungslosigkeit: "Alles was glänzt" von Marie Gamillscheg
Rezension

[Rezension] Von Einsamkeit und Bewegungslosigkeit: „Alles was glänzt“ von Marie Gamillscheg

Alles was glänzt ist eines von fünf Büchern, die ich im Rahmen der Jury-Bewertung für den Bloggerpreis Das Debüt bewerte. Meine Gesamtbewertung und auch den Vergleich der Bücher veröffentliche ich ab dem 6. Januar.

Alles was glänzt

Bereits zum Erscheinen des Romans zur Leipziger Buchmesse 2018 hatte ich den Titel kurz in der Hand. Der Klappentext und das Cover machten mich jedoch nicht neugierig und der Sommer war stressig, daher hatte ich nicht wirklich das Bedürfnis, mir das Buch irgendwann einmal zu kaufen. Durch Das Debüt bin ich nun quasi gezwungen den Titel zu lesen und auch gar nicht enttäuscht darüber! Aber worum geht es nun eigentlich genau? Laut dem Klappentext rumort es im alten Stollen des Bergwerks, was sich auf die letzten verbliebenen Einwohner auswirkt. Tatsächlich rumort es eher in den Köpfen der Figuren, aber dies auf eine sehr feinsinnige Weise. Dennoch lenkte der Klappentext hier eher in eine falsche Denkrichtung, denn der Berg blieb für mich starr und unbeweglich.

Wenn sich etwas verändert, kann es sich genauso zum guten wie zum Schlechten wenden, ganz schnell geht das. Gerade ist doch alles in Ordnung. […] Sie hat sich gegen die Veränderung entschieden und ist auch immer noch da. Sie atmet tief durch, dann macht sie die Küchentür wieder auf. Niemand sitzt im Gastraum.

Alles was glänzt, (1082,5) SUSA

Die verbliebenen Bewohner des Berges, die früher durch den Berg ihr Auskommen sicherten, sie wollen nicht fort: Ob nun Starrsinn wie bei der Wirtin Susa oder schlicht Perspektivlosigkeit wie bei dem alternden Wenisch, fest steht, dass sie den Berg nicht verlassen wollen. Die junge Teresa dagegen malt sich eine Zukunft in der großen Stadt aus, sie möchte am liebsten berühmt werden, doch fühlt sie sich in ihrem Heimatort gefangen. Sie ist es auch, die den Zerfall der Berges am deutlichsten vor Augen hat – oder vor Augen zu haben scheint – denn sie sieht eine Kluft, an welcher der Berg auseinander zu fallen beginnt. Sie will fort und findet doch nicht die Kraft zu gehen. Im Gegensatz dazu wünscht Merih, der als neuer Regionalmanager, die Umsiedlung aus entlegenen Landstrichen zumindest in den Ortskern vorantreiben soll, Akzeptanz und Integration durch die Alteingessenen. Er hofft auf einen Neubeginn und nimmt dabei den Widerwillen der Dorfbewohner nicht wahr.

Was nach dem Bergbau vom Ruhm bleibt

Zu Anfang war ich wenig überzeugt von der Geschichte. Starrsinnige Dorfbewohner und quasi keine Handlung? Das ist nichts für mich. Doch Gamillscheg erzählt so feinsinnig von dieser Unbeweglichkeit, dass es selbst mich berührte. Dieses Sehnen nach den alten Zeiten, nach Bergbaugeschichten und vor allem nach Anerkennung einer Lebensleistung, die man von außerhalb wohl nie ganz verstehen kann, scheinen hinter dem Starrsinn durch. Obwohl man objektiv weiß, dass es für die absterbende Gegend keine Erneuerung geben kann, bleibt doch der Wunsch, dass alles so bleibt wie es ist, nachvollziehbar. Ich bin sonst kein Mensch für Heimatromantik, in diesem Falle finde ich das Ergebnis jedoch berührend.

Irgendwo tropft es, ganz nah. Dann etwas weiter weg, dann auch hinter ihm, und plötzlich von allen Seiten. Der Raum scheint auf einmal viel größer als vorhin, scheint ganz und gar aus Tropfen und Glänzen zu bestehen. Wie das glänzende, farbige Wasser von den Decken fällt und sich auf die Steine legt, so müssen die Steine einmal begonnen haben zu glänzen, und so besteht alles, was glänzt, eingentlich nur aus diesem Quellwasser, das aus den Tiefen der Berger kommt –

Alles was glänzt, (967,7) MERIH

Gut gefallen hätte mir allerdings, wenn zumindest Merih und Teresa, deren Gegensatz doch die eigentliche Spannung erzeugen sollte, noch ein wenig ausgebaut geworden wären. Denn die beiden allzu kindlich Naiven bleiben trotz ihrer Wünsche und Sehnsüchte seltsam antriebslos. Dennoch überzeugt mich Gamillscheg sprachlich positiv und ich bin gespannt auf ihre weitere literarische Entwicklung!

Fazit: Bleierne Ereignislosigkeit gepaart mit Einsamkeit der verbliebenen Bewohner. Sprachlich berührend erzählt Gamillscheg vom Ende des Ruhmes und der Sehnsucht nach alten Zeiten.


[Werbung]

Das Buch
Alles was glänzt von Marie Gamillscheg
Hardcover
224 Seiten, 18 Euro
Luchterhand (Random House)
ISBN 978-3-630-87561-3

Das Buch wurde mir kostenfrei vom Verlag zur Verfügung gestellt!

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert