Mirna Funk "Winternähe"
Rezension,  Studium

Mirna Funk „Winternähe“

Zum Inhalt (Quelle: Verlag)

Wer bestimmt darüber, wer wir sind? Lola ist Deutsche, und sie ist Jüdin. Sie fragt sich: Wie viel von mir selbst steckt in meiner eigenen Biographie? Wie lässt sich die Gegenwart mit meiner Vergangenheit in Einklang bringen? Lola macht sich auf eine Reise, die sie von Berlin nach Tel Aviv und Bangkok führt. Sie stellt unbequeme Fragen und sucht gefährliche Orte auf. Sie konfrontiert uns mit Antisemitismus in Deutschland, dem Krieg in Israel im Sommer 2014 und der Frage nach Identität in einer globalisierten Welt.Bestimmt unsere Herkunft darüber, wer wir sind, oder falsche Freunde, orthodoxe Rabbiner? Lola wurde in Ost-Berlin geboren, ihr Vater geht in den Westen und weiter in den australischen Dschungel. Sie wächst auf bei ihren jüdischen Großeltern und ist doch keine Jüdin im strengen Sinne. Ihre Großeltern haben den Holocaust überlebt, sie selber soll cool bleiben bei antisemitischen Sprüchen. Dagegen wehrt sie sich. In Tel Aviv besucht sie ihren Großvater und ihren Geliebten, Shlomo, der vom Soldaten zum Linksradikalen wurde und seine wahre Geschichte vor ihr verbirgt. Lola verbringt Tage voller Angst und Glück, Traurigkeit und Euphorie. Dann wird sie weiterziehen müssen. Hartnäckig und eigenwillig, widersprüchlich und voller Enthusiasmus sucht Lola ihre Identität und ihr eigenes Leben.

Meine Meinungfunk_winternaehe

Ein sehr spannendes Buch. Ich habe während des Lesens viel über den Palästina-Israel-Konflikt nachgedacht, da dieser in weiten Teilen des Buches eine große Rolle spielt. Dennoch ist es kein Buch über einen Krieg oder Konflikt, sondern über eine starke Frauenfigur. Lola, halb Deutsche, halb Jüdin, stellt sich die Frage, wer eigentlich bestimmt, wer sie ist – sie selbst oder ihre Umwelt? Lola muss sich einerseits darüber klarwerden, ob sie sich selbst als Deutsche oder als Jüdin sieht. Gleichzeitig beschäftigt sie sich auch mit ihrer Wahrnehmung in der Gesellschaft. Den auslösenden Konflikt fand ich ein wenig abstrus, da Lola sich relativ schnell auch von Freunden und Bekannten abgrenzt. Hier werden die gerichtliche Auseinandersetzung und die Abwiegelung des Konflikts von verschiedenen Charakteren vermischt. Dadurch wurde Lolas eigentlich verständliche Reaktion für den Leser schwieriger nachzuvollziehen. Auch am Ende des Romans, in welchem Lola das gerichtskräftige Urteil nicht annimmt, sondern sich stattdessen für eine Anprangerung ihrer beiden ehemaligen Kollegen entscheidet, fand ich ihre Handlungsweise nicht angemessen nachvollziehbar.

Ich habe dieses Buch im Rahmen meines Seminars „Jugendkultur im deutschen Gegenwartsroman“  gelesen. Wir haben uns in diesem Seminar mit der Abgrenzung von Jugend und Adoleszenz beschäftigt und viel über das Erwachsensein und -werden diskutiert. Besonders haben wir die ausgewählten Bücher im Seminar natürlich unter dem Aspekt von Jugendvorstellungen gelesen. Das war bei „Winternähe“ besonders spannend, da Lola zwar eigentlich aufgrund ihre Alters nicht mehr als klassische jugendliche Figur gilt, aber durch ihre innerliche Zerrissenheit und durch ihre Identitätssuche klassische jugendliche Entwicklungsschritte durchlebt.

Das Buch ist spannend geschrieben, ich habe es in wenigen Tagen durchgelesen. Besonders gefiel mir der Tonfall der Autorin, welcher mir Lola sehr nahe brachte.

Ich kann jedoch auch die Kritik meiner Mitstudierenden verstehen, die besonders die Darstellung des Israel-Palästina-Darstellung kritisiert haben. Da ich dieses Buch jedoch nicht als politisches Buch, sondern als Adoleszenzroman gelesen habe, konnte ich dieses für mich ausblenden.

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Mirna Funk – Winternähe

352 Seiten; 19,99 Euro (Hardcover)

978-3-10-002419-0

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